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Kampagnen für die Verkehrswende – lernen von der Berliner Initiative Volksentscheid Fahrrad
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Kampagnen für die Verkehrswende – Die Berliner Initiative Volksentscheid Fahrrad

Volksentscheid Fahrrad, Beginn der Unterschriftensammlung

Das Thema Verkehrswende wird uns sicher in den kommenden Jahren, wenn nicht in kommenden Jahrzehnten, beschäftigen. Dies liegt nicht nur am Verkehrsdruck in den großen Ballungsräumen und daran, dass bei der zunehmenden Erderwärmung immer noch keine Umkehr absehbar ist. Es sind auch neue Ideen und Chancen, die z.B. die Digitalisierung mit sich bringt, die große Umwälzungen erwarten lassen.

Wir wollen deswegen heute einen “Schwerpunkt Kampagnen zur Verkehrswende” starten. In unseren kommenden Beiträgen wollen wir berichten, welche Aktivitäten es von Bürgerinitiativen und Verbänden, wie dem Verkehrsclub Deutschland, oder von Umweltschutzorganisationen gibt. Später wollen wir – für uns – Neuland betreten und Kampagnen zur Mobilität aus kommunalen Einrichtungen wie den Klima- und Mobilitätsagenturen  betrachten. Bereits im April haben wir einen vorsichtigen Ausblick gewagt und im August berichteten wir über eine Initiative in Offenbach, die mit Schlagloch-Minigolfturnieren auf den Zustand der Strassen und die damit verbundenen Gefahren für Radfahrer aufmerksam macht. Zu den kommunalen Aktivitäten passt übrigens eine Meldung aus der Frankfurter Rundschau von heute. Demnach hat die Stadt Madrid den Autoverkehr in der Innenstadt beschränkt – aber das befürchtete Chaos blieb aus.

Wenn wir über Kampagnen aus dem Mobilitätsbereich berichten wollen, kommen wir nicht umhin mit der Berliner Initiative Volksentscheid Fahrrad zu beginnen. Dies war sicher bisher die  bedeutsamste und erfolgreichste Verkehrswende-Kampagne. Damit starten wir diesen Schwerpunkt.

Der Volksentscheid Fahrrad in Berlin – eine kurze Chronologie

Im Frühjahr 2015 begegnete mir Heinrich Strößenreuther auf der re:campaign und erzählte mir von seiner Idee eine Kampagne für das Radfahren in Berlin starten zu wollen. Im November ging es dann los. Strößenreuthers Agentur Clevere Städte und der ADFC in Berlin organisierten eine Klausurtagung, auf der zehn Ziele für den Volksentscheid Fahrrad in Berlin formuliert wurden. Diese haben die Aktivisten am 16. Dez. in Form eines “Goldenen Fahrrads” an das Rote Rathaus gekettet. Einen Monat später wurden die zehn Ziele im weltweit ersten “Gesetzes Hackathon” in ein Gesetz gegossen. Am 2. Februar 2016 rief der Volksentscheid zum ersten Sit-In auf. Anlass war ein illegales Autorennen auf dem Ku´damm, bei dem ein Unbeteiligter getötet wurde. Den Ride of Silence 2016, der jedes Jahr in Gedenken an im Strassenverkehr getötete RadfahrerInnen stattfindet, nutzte die Initiative um mit der Unterschriftensammlung für die erste Etappe im Volksentscheid zu beginnen – Ziel mindestens 20.000 Unterschriften. In weniger als vier Wochen unterschrieben mehr als 105.000 Menschen  den Aufruf. Am 14. Juni erfolgte die Übergabe begleitet von einem Fahrradkorso.

Im Juli gab es ein erstes Gespräch zwischen dem Volksentscheid und der Berliner Landesregierung. Im September, nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, fanden Koalitionsverhandlung zwischen SPD, Linken und Grünen statt. Der Radverkehr war ein großes Wahlkampfthema. Zum Verhandlungsschluss am 4. November machte die Initiative nochmal Druck: Eine rot-rot-grüne Fahrrad-Torte vor dem Roten Rathaus sollte den Koalitionären “satte Power für die entscheidenden Gespräche in Sachen Radverkehr geben”. Am Ende erfolgte die Verkündung, dass die Ziele der Initiative übernommen werden und es ein Gesetz geben wird, das Rad- und Fußverkehr sowie den ÖPNV systematisch verbessern soll.

Es dauerte allerdings noch viele Aktionen, Mahnwachen, Demonstrationen und Verhandlungen, bis am 28. Juni 2018 das “Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mobilitätsgewährleistung, kurz MobiG”, tatsächlich verabschiedet wurde. Inzwischen gibt es in Deutschland einige Nachahmer. So hat zum Beispiel die Stadt Bamberg einen Teil der Ziele der Initiative Radentscheid Bamberg übernommen. Weitere Initiativen gibt es in Darmstadt, Hamburg, München und in Nordrhein-Westfalen. Unter dem Hashtag #DrehDeineStadt! vernetzt der Verein Changing-Cities, der aus der Organisation des Berliner Volksentscheides hervorgegangen ist, die bundesweiten Initiativen. Natürlich wollen die AktivistInnen die Umsetzung in Berlin jetzt auch begleiten.

Im nächsten Beitrag geht um die “Lessons learnt” aus dem Berliner Volksentscheid und warum die Kampagne so erfolgreich war – und ist. Einstweilen lässt sich hier nochmal die ganze Chronologie verfolgen. Weitere Eindrücke von den vielfältigen Aktivitäten könnt ihr auf der Fotoseite des Volksentscheides bekommen.