Kampagnen für die Verkehrswende – Die Berliner Initiative Volksentscheid Fahrrad
3.December, 2018Kampagnen für die Verkehrswende: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH)
20.December, 2018Kampagnen für die Verkehrswende – lernen von der Berliner Initiative Volksentscheid Fahrrad
Letzte Woche haben wir unseren Schwerpunkt “Verkehrswende Kampagnen” mit der Geschichte der Berliner Initiative Volksentscheid gestartet. Es gab in den letzten Jahren kaum eine Kampagne, in der so beispielhaft alles das umgesetzt wurde, was eine gute Kampagne ausmacht. Sie eignet sich deswegen besonders gut als Prototyp, nicht nur für Campaigner aus dem Verkehrsbereich.
Am Anfang muss man sich immer die Frage stellen, ob ein Anliegen auch andere interessiert, ob andere es teilen und ob das Problem verständlich ist. Wer einmal in einer Großstadt wie Berlin mit dem Fahrrad unterwegs war, braucht hier nicht lange nachzudenken. Die Unfallstatistik tut ihr Übriges: laut Berliner Morgenpost verloren etwa im Jahr 2016 insgesamt 393 Radfahrer ihr Leben im Straßenverkehr. Während die Zahl der Verkehrstoten insgesamt sinkt, bleibt die Zahl der getöteten Radfahrer konstant. Offensichtlich reicht aber die Statistik, die übliche Berichterstattung über die Unfälle und die Lobbyanstrengungen der Verbände nicht aus um Handlungsdruck bei den politisch Verantwortlichen zu erzeugen. Die Kampagne der Berliner Initiative war also unbedingt notwendig.
Im ersten Schritt haben die Initiatoren gleich mehrere wichtige Punkte abgearbeitet. Sie haben Verbündete gesucht und in einer Auftaktveranstaltung klare und nachvollziehbare Ziele entwickelt, die realistisch und – unter Anstrengung – auch erreichbar erschienen. Dass die Ziele nicht ganz einfach zu erreichen waren, hat Verbündete und Freiwillige motiviert sich zu engagieren. Natürlich müssen in einer Kampagne auch Konflikte aufgezeigt werden, sonst wäre die Kampagne unnötig. Wo sind also die Kontrahenten? Heinrich Strößenreuther sagte hierzu in der TAZ sinngemäß, dass es ein Verteilungskampf sei, aber “auch Autofahrer müssen letztlich dem Gesetz zustimmen”. Die Gegner sitzen im Rathaus.
Eine Kampagne braucht Protagonisten, oder besser ein Gesicht. Heinrich Strößenreuther war “der Verkehrsrebell im schwarzen Anzug“. Er bot eine glaubwürdige Geschichte mit seiner Vita als wissenschaftlicher Referent im Deutschen Bundestag, Greenpeace-Campaigner, Bahnmanager und Deutsche-Bus-Gründer, der zudem die Initiative in Vollzeit ehrenamtlich koordiniert und präsentiert hat.
Mein ehemaliger Kollege und Kampagnenstratege Chris Rose schreibt in seinen 12 Guidelines für eine Kampagnen-Strategie: “Kommuniziere in Bildern“. Kaum, dass die zehn Ziele formuliert waren, ketteten die Aktivisten der Berliner Initiative ein “Goldenes Fahrrad” mit ihren zehn Zielen ans Rathaus. Es folgten Mahnwachen nach tödlichen Unfällen mit Radfahrern, Fahrradkorsos z.B. in Nikolauskostümen, die große Unterschriftensammlung zum Volksentscheid und eine Tortenübergabe “zum Anfüttern” – und immer wieder Mahnwachen. Jede der meist kreativen Aktionen war mehr als ein Medienstunt und immer glaubwürdig, weil sie auch ohne die Anwesenheit der Journalisten einen Sinn ergaben. Die Aktivisten haben gegebene Anlässe wie den Ride of Silence 2016 genutzt sowie eigene Anlässe geschaffen. Und sie waren immer schnell und manchmal überraschend.
Erfolge wie die Unterschriftensammlung zum Volksentscheid und die vielen kleinen Aktionen haben die Aktivisten weiter motiviert. So konnte der Handlungsdruck aufgebaut und über die Dauer von etwa zweieinhalb Jahren erhalten werden. Wer mehr über die Geschichte lesen möchte, dem empfehlen wir “Bei Gegenwind erst recht” im fluter. Weitere Anregungen für die Radinitiative findet ihr demnächst in dem Buch “Der Berlin-Standart” von Heinrich Strößenreuther.
Beim nächsten Mal wird es um die Verkehrskampagnen der Deutschen Umwelthilfe gehen.